Jahresausstellung 2010 : Vernissage

Rede zur Eröffnung der Kreis 34-Jahresausstellung

von Rainer Lynen

am 28.11.2010 im Künstlerhaus mit Galerie e.V., Göttingen

Liebe Freunde und Freundinnen des Kreises 34, liebe Kunstinteressierte, liebe Besucher

Mit dem heutigen Tag haben wir vom Kreis 34 den Höhepunkt des Vereinslebens in unserer Künstlergruppe erreicht. Heute eröffnen wir unsere Jahresausstellung hier im Lichtenberghaus, das jetzt das Göttinger Künstlerhaus ist. Wir sind künstlerisch in verschiedener Weise aktiv, mit Malerei, mit Skulpturen, Fotografien, Kollagen, neuerdings auch unter Zuhilfenahme von digitalen Medien. Unser gemeinnütziger Verein mit über 30 Mitgliedern hat zum einen das Ziel, den Mitgliedern aus Göttingen und Umgebung Ausstellungen ihrer Werke zu ermöglichen, und zum zweiten unterstützen wir die Aktivitäten und Veranstaltungen im Göttinger Künstlerhaus.

Bevor ich mich unserer Gruppe, dem Kreis 34, zuwende, möchte ich mich bei unseren Sponsoren bedanken. Das sind zum einen die Stadt Göttingen, die zusammen mit dem Landschaftsverband Südniedersachsen dieses Haus als Künstlerhaus erhalten, und bei der Sparkasse Göttingen, die uns bei den im Rahmen einer solchen Ausstellung anfallenden Unkosten unterstützt. Herzlichen Dank.

Sie als unser Publikum können aber auch etwas tun. Wenn Sie es nicht schon sind, werden Sie doch bitte Mitglied im Künstlerhausverein mit Galerie e.V. – ich sage das jetzt mal in Vertretung von Herrn Norbert Baensch, der, um Sie als Mitglieder zu werben, immer noch bessere Worte als ich hier gefunden hat. Der Mitgliedsbeitrag ist sehr human, der gemeinnützige Künstlerhausverein scheut sich aber auch nicht, Ihre Spenden anzunehmen. Und dann werden Sie zu allen Ausstellungseröffnungen hier eingeladen.

Wir hoffen natürlich immer, in diesen Räumen ansehnliche Ausstellungen anzubieten. Mit unserer Kreativität sind wir die dritte Gruppe, die als fördernde Mitglieder dieses Künstlerhaus für eine eigene Ausstellung nutzen darf. Nun, warum sagen wir dazu Jahresausstellung? In dieser Ausstellung präsentieren wir uns mit den Werken, die innerhalb der vergangenen 12 Monate entstanden sind. Also erblickt dann auch alles, was Sie hier auf der Jahresausstellung zu sehen bekommen, heute zum ersten Mal das Licht der Öffentlichkeit.

Deshalb sind Sie hier jetzt auch nicht in einem Museum sondern in einer für unsere Region aktuellen Ausstellung zeitgenössischer Kunst.

Zu Museen gibt es eine richtige, aber unfreundliche Bemerkung von Professor Rolf Thiele aus Bremen, für mich persönlich eine verblüffende Erkenntnis: Museen sind Gräber, sind Mausoleen. Nach Thiele sind Museen so eine Art Walhalla, eine Art Endlagerung, dort bekommt ein Denkmal, was bewahrt werden soll, aber es handelt sich immer um Endstufen ohne weitere Entwicklung.

Auch Kunst in den Händen von Privatleuten erblickt selten wieder das Licht der Öffentlichkeit. Andererseits haben Privatleute seltener die Absicht, mit den Kunstwerken in ihren Wohnungen eine politische Ausstrahlung zu erzielen. Sie sind dann eher stolz, im Besitz von Originalen zu sein, von Objekten, die es so nur einmal gibt, und die dann keine Drucke, keine Kopien und keine dem Original angenäherten Reproduktionen sind.

Solche Originale, Unikate und Objekte, die es nur einmal gibt, stellen wir hier aus. Abgesehen davon, dass wir auch gerne mal etwas verkaufen, geht es uns in der Hauptsache darum, eine in sich stimmige, eben eine gelungene Ausstellung unserer neuesten Arbeiten auf die Beine zu stellen. Das geht auch bei uns trotz eines ganz überwiegend harmonischen Vereinslebens nicht immer ohne Schmerzen ab. Die in dieser Ausstellung gezeigten Werke können wir hier im Göttinger Künstlerhaus nicht ein zweites Mal zeigen. Wir können natürlich nicht wissen, was aus unseren hier ausgestellten Werken einmal werden wird. Wir wissen es einfach nicht. Die Ausstellung dauert aber bis zum 2.Januar, und wenn Ihnen etwas besonders gut gefällt, dann kommen Sie einfach nochmal wieder. Manchmal ist es ja in der Kunst wie bei einem Musikstück, es gefällt einem umso besser, je öfter man es gehört hat – oder – in Bezug auf uns, gesehen hat.

An dieser Stelle möchte ein weiteres Zitat anbringen, diesmal ein selbstkritisches, es ist von Georg Christoph Lichtenberg, der in diesem Haus gelebt und gelehrt hat. Es ist so ehrlich, weil er das folgende auch für seine eigenen Werke gelten ließ: wird man für seine Werke gelobt, so ist das Publikum weise, wird man aber getadelt, so mangelt es dem Publikum an Sachverstand.

Seien Sie bitte nicht enttäuscht, wenn ich Sie heute nicht mit kunsthistorischen Interpretationen unterhalte. Wir wissen , dass Göttingen nicht das Zentrum einer Kunstszene mit überregionaler Ausstrahlung ist. Und wir arbeiten ohne Auftrag. Das war in früheren Epochen anders. Da gab es richtige Werkstätten für Malerei mit Meistern, Gesellen und Hilfskräften, bei Lucas Cranach, bei Peter Paul Rubens, und da gab es vermögende Auftraggeber, Fürsten und Kirchenfürsten. Solche Werkstätten sind heute eher selten, gibt es aber noch, wenn ich an die „factory“ von Andy Warhol denke.

Lassen Sie mich von einem Erlebnis erzählen. Vor einem Gemälde von Mark Rothko stand eine junge Familie mit kleineren Kindern, betrachtete es kritisch, und nach ein paar Sekunden des Zögerns platzte die Frau ganz ungeniert: heraus – det kann ick ooch. Rolf Thiele nennt das „die Katastrophe des Nichtverstehens“. Es wird immer Menschen geben, denen es wichtig ist, wiederzuerkennen, wichtiger, als Neues zu entdecken.

Wir freuen uns sehr über ein neues altes Mitglied, es ist Hans-Jürgen Kutzner. Er wurde als Student eines nachts von Henry Hinsch entdeckt, und er lernte bei ihm Holzbildhauerei, bei ihm und bei Rudolf Petrikat, beide Gründungsmitglieder des Kreises 34. Wir hatten kein Problem, ihn wieder aufzunehmen, als wir seine Werke gesehen hatten.

Bitte erschrecken Sie nicht über die Vielfältigkeit unserer Gruppenausstellung. Für eine Gruppenausstellung ist das ganz normal. Sehen Sie sich die ganze Ausstellung an, und, wenn Sie zweimal durch sind, fragen Sie sich bitte, ob wir nicht doch richtige Künstler sind, mit Stärken und Schwächen, und sagen Sie es uns und auch anderen weiter, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie hier eine gute und interessante zeitgenössische Ausstellung gesehen haben. Wir freuen uns auch über einen Obolus in unserer Sammeldose, natürlich auch über einen Ankauf, und über schriftliche Stellungnahmen in unserem Gästebuch. Die Ausstellung ist hiermit eröffnet.