Jahresausstellung 2012 : Vernissage

Rede zur Eröffnung der Kreis 34-Jahresausstellung

von Rainer Lynen
am 25.11.2012 im Künstlerhaus mit Galerie e.V., Göttingen

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kustfreundinnen und Kunstfreunde,

Lieber Herr Neuberg, haben Sie herzlichen Dank, dass Sie uns, den Kreis 34, mit so freundlichen Worten vorgestellt haben. Wir sind eine der Gruppen, die als gemeinnützig eingetragener Verein berechtigt sind, die Galerie des Göttinger Künstlerhauses für Ausstellungen zu nutzen. Unsere Mitglieder sind gleichzeitig Mitglieder im Künstlerhausverein mit Galerie e.V. – auf diese Weise erfahren auch wir indirekt eine Förderung durch die Stadt Göttingen und durch den Landschafts-verband Südniedersachsen, wofür wir dankbar sind. In diesem Jahr reicht das allerdings nur für das Porto bei den Einladungskarten. Diese Hilfe ist wirksam und wir freuen uns sehr über den heute regen Besuch. Alles übrige, die Gestaltung und den Druck von Plakaten und Einladungskarten, die Bewirtung hier und die Aufsichten für die Dauer der Ausstellung geschieht aus eigenen Mitteln. Für mehr, für Postkarten oder Kataloge reichen unsere Mittel nicht aus.

Deshalb mein Appell an Sie, wertes Publikum, spenden Sie bzw. werden Sie Mitglied im Künstlerhausverein mit Galerie e.V. der Stadt Göttingen, das ist durchaus erschwinglich und Sie erhalten dann Einladungen zu allen Ausstellungen hier, nicht nur zu unserer. Eine Spende speziell an unseren Verein freut uns natürlich auch sehr.

Der Name unseres Vereins ist Kreis 34, dieser Name ist ja sehr eingängig, und ein bisschen sind wir auch in ihn verliebt, aber ich habe mir fest vorgenommen, dass ich ihn heute nicht mehr nennen möchte. Auf unserer Einladungskarte steht dieser Name viermal, und auch die Geschichte mit der alten Postleitzahl lasse ich heute weg. Wichtig ist mir zu sagen, dass auch wir das Künstlerhaus fördern. Das geschieht nicht nur durch die aktive Mitarbeit einzelner Mitglieder hier, nicht allein durch unsere Mitgliedsbeiträge oder durch das Anmieten von Ateliers, sondern auch, so hoffen wir, durch die Veranstaltung von Ausstellungen wie dieser, von der wir hoffen, dass sie auf der Höhe der Zeit sind.

Wir bewegen uns hier auf dem Gebiet der bildenden Kunst, die nur EIN Segment unter den Künsten darstellt. Der Kunstbegriff der alten Griechen umfasste viele Künste, Bildhauerei, Musik, die Poesie, das epische Gedicht, das Theater mit Drama und Komödie, den Tanz und wohl auch den Sport, wenn man an die olympischen Spiele denkt. Ähnlich weit gefasst ist der Kunstbegriff der Stadt Göttingen, denn auf der homepage der Stadt finden Sie uns unter der Rubrik „Kultur, Freizeit und Sport“. Eigentlich wollte ich nicht über Sport reden, aber ich bekenne mich zu meinem Neid auf die Sportförderung. Da gibt es dann Trainingslager für ganze Teams in Dubai, in Kalifornien oder Mexico. Bei Künstlern ist eine so hochkarätige Förderung eher die Ausnahme.

Als ich am 4. November im Rahmen der Aktion „Einkaufsart“ von „proCity“ mein Atelier hier geöffnet hatte, fragte mich jemand: warum malen Sie eigentlich noch, bei mir hätte sich doch schon so viel angesammelt, da könnte ich doch aufhören. Wenn man dasselbe Paul Cezanne gefragt hätte, hätte er vielleicht gesagt: ich will, dass man in der Malerei neue Wege geht, das bloße Abbilden ist doch langweilig. Nun, Paul Cezanne hat wirklich Neues erreicht, er hatte sogar das späte Glück zu erleben, dass er mit seinen Neuerungen akzeptiert wurde. Lange Zeit galt er als unbegabter Apothekersohn aus der Provence, der mit seinem Dilettantismus in die etablierte Pariser Kunstszene einbrechen wollte. Über ihn machte sich die Kunstkritik mit bösartiger Häme lustig. Ich erinnere gern auch an die Leiden von Kurt Schwitters, der als Sohn der Stadt Hannover heute einen Ehrenplatz im Sprengelmuseum einnehmen darf.

Ich verlasse jetzt mal Sport und Kunstkritik, und erlaube mir, Sie auf ein paar interessante Werke hier in unserer Ausstellung hinzuweisen. Ich fange mal an mit Wolfgang Hiltscher. Er hat sich auf seine Weise mit den beiden Marien befasst, die im Märchen Frau Holle zur Hand gingen oder auch nicht, die Goldmarie und die Pechmarie. Er hat sie in Form einer goldenen und einer schwarzen Drahtspindel in ein jeweils eigenes Boot gesetzt. Die Boote sind jeweils auf einen eigenen Sockel gesetzt, er stellt sie einander gegenüber und lässt sie entgegengesetzte Wege einschlagen, in die Nacht und in den Tag. Die Kenntnis des Märchens setzt er voraus, und sagt uns, er belehrt nicht, er beschreibt, seht her, soweit kann es kommen, und das nicht nur im Märchen.

Ich möchte auch einmal etwas zu meiner Ehefrau sagen dürfen, das ist Greta Mindermann-Lynen. Neben ihren Steinskulpturen mit abstrakten Formen stellt sie Fotodrucke auf Transparentfolien her, die sie anschließend zu Kollagen verarbeitet. Der Titel „stillgelegte Töpferei“ mag Sie als Publikum verwundern, aber ich war dabei als diese Fotos entstanden. Sie müssen sich nicht das fertige Töpfereiprodukt vorstellen, sondern eine Werkhalle, in der mit roter Tonerde gearbeitet wurde, als Staub, als spritzender Tonschlamm, als Tonmasse, und dass dieser Arbeitsplatz nach seiner Stilllegung nicht mehr aufgeräumt werden konnte. Diese fast blutige Farbe und die Dunkelheiten in den Bildern lassen das Bedauern erkennen, dass es zu dieser Stilllegung kommen musste.

Bilder können also Geschichten erzählen auf eine ganz individuelle Art und Weise, typisch für den einzelnen Künstler. Dabei kann man auch ganz alte Geschichten erzählen, und das tut Frank-Helge Steuer. Die alte Sage von Daedalus und Ikarus, in der Kunst schon oft behandelt, erzählt er noch einmal mit seinen Stahlskulpturen. Ikarus zum einen hoffnungsvoll dargestellt als polierte Stahlskulptur mit vergoldeten Federn, zum anderen aber im Absturz, mit Rost beschlagen, die Federn verloren, weil er der Sonne zu nahe kam.

Auch Hans-Jürgen Kutzner erzählt eine alte Geschichte. Nach der Gründung der Göttinger Universität erlaubte der König – ich glaube Georg III – damals König von England und Hannover – dem Juden David Jeremiah, für Bedienstete der Universität ein Haus zu errichten, es steht heute noch, auf der Ecke Speckstraße/Stumpfbiel. Das geschah mit den Worten: „suchet der Stadt Bestes, baut Häuser“. Zur Erinnerung daran schuf Hans-Jürgen Kutzner zwei Modelle von Stelen aus Holz, zum einen mit jüdischen, zum anderen mit christlichen Symbolen. Die jüdischen sind u.a. der Davidsstern und der siebenarmige Leuchter, die christlichen eine Eule für die Wissenschaft und eine Göttinger Wurst für den „genius loci“.

Ich kann nicht die ganze Ausstellung besprechen, möchte aber noch zwei neue Mitglieder bei uns vorstellen. Das ist zum einen Frau Petra Biertümpfel. Sie arbeitet mit Pigmenten auf Papier und versucht, in ihren abstrakten Kompositionen Strukturen erkennen zu lassen, die man auch in der Natur findet. Zum zweiten möchte ich Frau Roxana Zenhari nennen. Sie stammt aus dem Iran, hat in Teheran den Master of Arts erworben und wurde am Institut für Iranistik der Universität in diesem Jahr zum Doktor der Philosophie promoviert. Ihre Bilder zeigen großformatige Frauenportraits in Öl auf Leinwand, die nachdenklich machen, und das, glaube ich, ist auch durchaus beabsichtigt.

Sie, liebes Publikum, sind heute hier als Kunstinteressierte. Für uns als Künstler aus der Region ist diese Ausstellung immer der Höhepunkt des Jahres. Die angebenen Preise gelten als Orientierung, dass Kunst auch Arbeit macht und nicht einfach so verschenkt werden sollte. Und dann – ist die Ausstellung – hiermit eröffnet.