Jahresausstellung 2013 : Aufbau und Vernissage

Rede zur Eröffnung der Kreis 34-Jahresausstellung

von Rainer Lynen
am 11.08.2013 im Künstlerhaus mit Galerie e.V., Göttingen

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Freunde, Freundinnen und Kunstinteressierte, als Vorsitzender des Kreise 34 heiße ich Sie herzlich willkommen –

Wir freuen uns, dass Sie alle hier sind und an diesem warmen Sommertag nichts besseres vorhaben. Willkommen in der Jahresausstellung des Kreis 34 im Künstlerhaus. Es ist vorgesehen, dass unsere Mitglieder in der Jahresausstellung Werke zeigen, die erst im vergangenen Jahr, soll heißen in den vergangenen 12 Monaten entstanden sind. Nun, dieser Zeitraum ist dieses Mal deutlich kürzer. Unsere letzte Jahresausstellung endete am 31. Dezember 2012, und so blieben uns diesmal gerade einmal 7 Monate für die Vorbereitung einer Ausstellung mit neuen Werken.

Eine weitere Regel bei uns ist, dass kein Werk zweimal in diesem Haus ausgestellt werden darf. Also bekommen Sie heute tatsächlich brandneue Werke zu sehen. Außerdem hatten wir die Ausstellung in diesem Jahr unter ein Thema gestellt. Themen für eine Ausstellung sind nach unserer Satzung alle 2 Jahre vorgesehen. Es kommt immer zu einer Abstimmung über verschiedene Vorschläge, und die jetzt gezeigten Arbeiten sollten etwas mit dem Thema ‚Belebte Flächen‘ zu tun haben. Was sind belebte Flächen?

Braucht es dafür Lebendiges, also Tiere wären schon schwierig, man müsste sie vier Wochen lang füttern und sauber halten. In Kassel ist das ja schon einmal bei einer Dukumenta auf einer Rasenfläche, angrenzend an einen offenen Stall – mit ein paar Schweinen vorgeführt worden. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hatte aber die Nase gerümpft und sich abgewendet, wurde berichtet. Nein, so eine Schweine-Performance können wir uns auch einfach nicht leisten, zu teuer, zu hohe Auflagen.

Die meisten von uns sind ja Malerinnen bzw. Maler. Als solche hat man in der Regel ein Trägermaterial vor sich, z.B. Papier oder eine Leinwand. Normalerweise hat man dann eine glatte, plane Oberfläche vor sich, und im Regelfall bleibt die auch glatt, wenn man darauf zeichnet oder sie bemalt. Anders ist es wiederum bei der Bildhauerei bzw. der Plastik. Da ist man eher bemüht, eine rauhe, unebene Fläche zu glätten.

Die Malerei, auch die moderne, abstrakte Malerei, versucht ja oft, auf einer glatten Fläche Räumlichkeit, Perspektive, Tiefe zu erzeugen. So sind die Flächen in der Malerei der letzten hundert Jahre oft nicht nur durch perspektivischen Bildaufbau sondern ganz einfach räumlich verändert worden, sei es mit Farbe bzw. mit aus Tuben herausgedrückten Farbwülsten wie bei Jackson Pollock, oder durch Aufbringen von Holz, Schwämmen, Sand und beliebigen anderen Materialien, da fällt mir Yves Klein ein mit seinen blauen Schwämmen oder die benagelten Tableaus von Günther Uecker. Man hat den Malgrund auch schon zerschnitten, geschlitzt, angebrannt oder gestanzt, womit auch immer, aber ist die Fläche dann belebt? Sie nehmen mir hoffentlich ab, dass dieses Thema sehr weit dehnbare Interpretationen zulässt, und ich denke, dass das bei der Auswahl dieses Themas auch beabsichtigt war.

Jedenfalls sind wir stolz, Ihnen trotz der Kürze der Zeit für die Vorbereitung eine doch ziemlich abwechslungsreiche Ausstellung präsentieren zu können. Was ist mit den Flächen bei uns passiert?

Joana Krause, ihre Arbeiten sind unten im weißen Saal, lässt aus einer gleichförmig schwarzen Fläche gelbe Augen auf uns schauen, wie die Augen von Alligatoren im Licht eines Suchscheinwerfers, wie man es in Florida oder in Georgia in den USA zu sehen bekommen kann, wenn man ein Abenteuer auf dem Lake Okeefenokee sucht mit einer nächtlichen Kanu-Expedition. Beim Einschalten des Lichts belebt sich plötzlich die schwarze Nacht vor einem.

Bei Christiane Christen sind Krähen in einem sommerlichen Kornfeld aufgescheucht, die sich auf die Flucht begeben, man fühlt sich an van Gogh erinnert, oder als wäre man selbst gerade darauf zugelaufen, um sie zu verscheuchen. In den Bildern von Karl-Heinz Haselmeyer sind die vielen Augen das Lebendige, die uns zugewandt sind oder auch nicht. In meinen eigenen Bildern leben Pflanzen, die ganz offensichtlich bei guten Wachstumsbedingungen nahezu tropisch wuchern.

Andere legten keinen Wert auf eine Darstellung unserer natürlichen Umgebung. Dazu gehören die Bilder von Frau Sablotzki-Weise, die allerdings geometrische Objekte, sie sagt Solarzellen, auf ihren Leinwänden vor eine Wand setzt, die sie mit Sand und Betonspritzern belebt hat. Wieder anders hat Amina Wotsch, sie ist neu im Kreis 34, auf Leinwände mittels einer Paste räumliche Strukturen aufgebracht, in die sie Seemuscheln und Schnecken einfügte. Die abstrakten Strukturen wurden mit Farbe und Glitzerstreu belebt, also belebte Abstraktion.

Ich kann nicht alle Arbeiten behandeln ohne die Toleranz des Publikums über Gebühr zu belasten. Wer häufiger die Ausstellungen des BBK und des Kreis 34 besucht hat, wird wissen, dass die angetroffene Vielfalt irritiert. Zuletzt aber muss ich Sie auf eine Besonderheit hinweisen. Es handelt sich um die Installation von Wolfgang Hiltscher zwei Räume weiter. Er hat sich am Beispiel seines Großvaters mit dem Thema Krieg und Frieden beschäftigt. Anlass dazu gaben Eindrücke aus dem zweiten Weltkrieg. Damals hatte die regierende NSDAP beim Rückzug der deutschen Truppen die Parole der „verbrannten Erde“ ausgegeben. Das veranschaulicht als Kriegsfolge der erste Teil seiner Installation. Im zweiten Teil wird die verbrannte Erde wiederbelebt, wie auf holländischen Tulpenfeldern. Das ist politisch. Es würde mich freuen, wenn Sie aus dieser Arbeit ein wenig Hoffnung mit nach Hause nehmen können, auch wenn die Installation nicht in Ihr Wohnzimmer passt.

Nun überlasse ich Ihnen die Ausstellung, sie ist hiermit eröffnet.

 

Dr. Rainer Lynen, Kreis 34                       11.08.2013

Vorsitzender

draily41@web.de